Samstag, 19. September 2015

Jan-aus dem Reich der Toten-Teil 1

Hier startet ein Mistery-Krimi mit viel persönlicher Note, viel Spaß!



Blöde Spätschicht! Die anderen gehen nach Hause, während man selber noch gut Zwei Stunden bleiben muss.
Aber das ist nun mal notwendig, denn unser Recyclinghof  im Blockland, der größte in Bremen, hat bis Siebzehn Uhr geöffnet. Zu Zweit bringen wir nun den Tagesendspurt hinter uns. Fritz schiebt kurz Bauschutt  hoch, und ich sehe nach den Wertstoff-Containern, und betreue die Schadstoff-Annahmestelle.

Ich bin eigentlich einer der unscheinbarsten Menschen, die ich kenne. Klein(Im Winter auch Pullover auf Beinen genannt), untersetzt, mit Brille und absolutem Allerweltsgesicht.

So, die Papier-Presse muss mal angeworfen werden. Ich steige kurz auf den Podest, und schaue hinein. Was ist denn das? Alte Bücher! Ich bin ein leidenschaftlicher Leser, mit Vorliebe klassischer Abenteuer –und Kriminal-Literatur, außerdem spiele ich noch Schach im Verein.Werder-6, Kreisklasse.Zum Großmeister werde ich es nicht mehr bringen, aber ich bin zufrieden.

Ich kann die Bücher greifen. Es sind sechs an der Zahl. Alte Ausgaben von Karl Mays Orient-Zyklus Ein richtiger Schatz! Ich hole sie heraus, und lege zur Seite, dann betätige  die Presse.

So halbe Stunde noch bis Feierabend. Noch eine größere Anlieferung aus Opas Schuppen. Was für große Schuppen es anscheinend gibt, aber na ja. Der Anzahl an Schädlings-Bekämpfungsmitteln nach zu urteilen, hat Opa wohl einen privaten Kleinkrieg gegen alles geführt, was mehr als zwei Beine hatte, und sich nicht Nutzpflanze nannte.

Schließlich ist Feierabend .Rasch unter die Dusche, Schließer- Aufgaben erfüllt, Alarmanlage scharf gemacht, und Tschüß!

Ab nach Hause. Noch ein Paar Teile eingekauft, einen Teil davon Oben bei Mutter und Bruder abgeliefert, und dann habe ich Zeit für mich. Ich Esse eine Kleinigkeit, dann lasse ich mich auf dem Sofa nieder, um  mir meinen Schatz näher anzusehen.

Ich blättere den ersten Band, „Durch die Wüste“, durch. Offen gesagt besitze ich es schon, und habe s wohl auch mehrmals gelesen, aber solche alten Bücher üben doch eine gewisse Faszination auf mich aus.
Während ich so blättere, fällt plötzlich etwas zwischen den Seiten des Buches heraus, und vor meine Füße auf den Boden. Ich bücke mich, und hebe es auf. Es handelt sich um ein zusammen gefaltetes, vergilbtes Blatt Papier, offenbar aus einem Tagebuch ausgerissen. Ich faltete es auseinander, und betrachte es.Mit schwarzer Tinte steht darauf in kindlicher Schrift:

15.9.1953
„Dies ist vielleicht das Letzte, das ich schreibe. Es geht mir schlecht. Ich Kann nicht gehen. Ich glaube, es ist ein Mörder unter uns. Einer ist nicht, was er zu sein vorgibt. Klara ist nicht einfach verschwunden. Und nun bin ich der nächste. Warum hilft mir keiner?

Ich starre auf diese Zeilen, und reibe mir die Augen. Hat sich da jemand einen Scherz erlaubt, oder sollte das echt sein? Dann wäre ich hier einem, nein Zwei ungesühnten Morden auf der Spur!

Ach nein Thorsten, jetzt sei doch mal vernünftig. Bestimmt ist das nur quatsch. Wahrscheinlich hat da ein Junge einem anderen einen Streich gespielt, und der Zettel ist da hängen geblieben. Ja, so wird es gewesen sein, obwohl…nein nein!

Ich lege Buch und Zettel zur Seite, und denke den Rest des Abends nicht mehr daran, oder versuche es zumindest. Auch den nächsten Tag auf der Arbeit denke ich vorerst nicht darüber nach. Habe auch genug Anderes zu tun. Mit Rosi, meiner Vorgesetzten etwas besprechen, Schadstoffannahme, hier und da noch ein wenig aufpassen, und Ausbildungsplanung. Na gut, ab und zu denke ich doch noch mal daran.

Abends zu Hause lese ich den Zettel noch einmal. Dann greife ich instinktiv nach dem Buch, und da, auf der ersten Seite steht eine Widmung:
Für Jan, von seinem Großvater, Weihnachten 1952
Darunter Jan Dijsterkamp, und eine Adresse.
Hmm.. ein Name und eine Adresse, da könnte man doch ansetzen. Nein, nein  was soll das schon wieder? Ich meine, ich bin ein Niemand. Wie komme ausgerechnet ich dazu, in alten Geschichten einer Familie rum zu kramen, mit der ich nicht ich mal verwandt bin, noch sonst irgendwas zu tun habe?

Ach…kennen sie das, wenn man eifriger Krimi-Leser und passionierter Hobby- Detektiv ist, und dann kommt so eine Sache? Verflixte Neugier! Nun was soll ´s? Also gut, mal den Rechner angeschmissen und gegoogelt. Und sieh da, die Dijsterkamps waren eine aus Holland stammende Kaufmanns-Familie, die seit dem Siebzehnten Jahrhundert in Bremen ansässig war. Sie betrieb einen großen Tee-Handel Die Adresse liegt in Schwachhausen, in der Nähe des Riensberger Friedhofs.

Soll ich da vielleicht mal hin? Nun, angucken kostet ja nichts, wenn es denn überhaupt noch was zu sehen gibt.
Den Kopf voller Gedanken gehe ich schließlich zu Bett, doch Schlaf finde ich lange nicht. Die halbe Nacht wälze ich mich im Bett hin und her. Als ich schließlich in Schlaf komme, habe ich einen seltsamen Traum. Eigentlich ist es nur ein Junge von etwa vierzehn Jahren, der mich unverwunden anstarrt. Er starrt einfach nur, und plötzlich hebt er die rechte Hand, und zeigt auf mich. Dann löst er sich auf.

Am nächsten Tag auf der Arbeit, bekomme ich die Gedanken an den Zettel, die Adresse und den seltsamen Traum nicht aus dem Kopf, und bin unkonzentriert.
Auch Rosi scheint zu merken, dass ich neben mir stehe, und sie spricht mich darauf an.
„Oh, es ist soweit alles in Ordnung“, versichere ich „Hab nur nachher noch´n  Paar Dinge zu erledigen, die mich beschäftigen“ Im Grunde ist das nicht mal gelogen.
„Okay, aber wenn du etwas hast, oder auch nur reden willst, kannst du zu mir kommen.“ Sie lächelt mir zu.

Ich gehe wieder an die Arbeit, und zu Feierabend bin ich froh, nach Hause zu kommen. Ich muss heute nicht einkaufen, da könnte ich doch eigentlich...Oh nein, nicht schon wieder!
Aber ich kann machen, was ich will, ich lenke meinen Roller schon in Richtung der Adresse aus dem Buch.

Das Ziel liegt am Ende einer Nebenstrasse unweit des Riensberger Friedhofs. Es ist ein Grundstück mit einer alten Jugendstil- Villa. Es  beginnt zu dämmern, als ich dort ankomme. Grundstück und Haus sind gleichermaßen verwahrlost. Gras und Stauden wuchern überall. Die Hecken sprießen in alle Richtung, der Zaun ist Rostig, und die Umgebungsmauer verfallen. Die Pforte hängt traurig schief und verrostet im Wind.

Am Haus blättern Putz und Farbe ab, und einige Fensterläden hängen schief. Etliche Fensterscheiben sind zerschlagen. Ich schiebe die schiefe Pforte auf. Es ertönt ein lang gezogenes Kreischen. Hier hat wohl jemand `ne Ölkrise. Ich schaue mich um, ob jemand etwas gehört hat, aber Keiner ist in der Nähe.

Langsam schreite ich den Pfad zum Haus hin. Du weißt schon, das du grade einen Einbruch begehst, sage ich zu mir .mag sein, aber es wohnt ja schon lange Niemand mehr hier.
Die Tür steht ein wenig auf, und ich betrete das Haus.

Alles ist überzogen von Spinnweben. Es gibt noch das alte Mobiliar, das von Schondecken überzogen ist. Ein bisschen wirkt es, als hätte man das Haus grade verlassen, dabei muss es schon Jahrzehnte leer stehen. Eine Treppe führt im Vorraum nach Oben .Linkerseits führt eine metallene Vorrichtung nach Oben, die ich als eine Art Treppenlift erkenne. Ich steige die Treppe hinauf.Es wird doch langsam dunkel. Gut, das ich mir eine Taschenlampe mitgebracht habe, die ich aus dem Elektroschrott- Behälter gezogen habe. Sie leistet mir jetzt gute Dienste.

Oben führt ein Korridor an mehreren Zimmern vorbei, an dessen Ende sich noch eine Treppe befindet. An ihrer linken Seite ist eine Rampe Angebracht . Ich gehe den Korridor entlang, und steige auch diese Treppe herauf. Ich stehe auf einem Vorsprung vor einer Tür, in die kaum noch leserlich die Worte: “Jans Reich“ geritzt sind.

Ich schiebe die halb offene Tür auf, und betrete das Zimmer. Es ist eine Art Kinder -oder Jugendzimmer. Rechts ein Bett , am Kopfende eine Kommode. Am Fußende, darum also Rampe und Treppenlift, ein alter Rollstuhl. Seine Rückenlehne ist  mit einem zerschlissenen Kissen gepolstert. Auf der Sitzfläche liegt ein kleiner Ball.

Auf der anderen Seite am Fenster, durch dessen zerschlagene Scheibe ein Luftzug herein kommt, ein Sideboard auf dem Bücher stehen, jetzt natürlich ziemlich vermodert. Als ich eins anfasse, zerfällt es fast in meiner Hand. Was haben wir denn da? Winnetou, Lederstrumpf, die drei Musketiere, Sherlock Holmes, Pater Brown. Hatte durchaus einen ähnlichen Literatur-Geschmack wie ich.
„Tja Jan“, denke ich laut „was kann ich hier nun erfahren?“

Ich lasse den Blick noch einmal schweifen, dann verlasse ich das Zimmer. Ich, kann mich jetzt wirklich auf den Heimweg machen.Ich gehe die Treppe hinunter, und zur anderen. Als ich sie gerade runter gehe, höre ich ein Quietschen, ich drehe mich um, und erstarre .Der Rollstuhl aus Jans Zimmer fährt auf die Treppe  zu. Schon denke ich, er fällt gleich herunter, da bleibt er ruckartig am Treppenabsatz stehen. durch den Ruck wird der Ball herunter geworfen, der die Treppe hinunter springt.

Er prallt schließlich gegen mein Bein und bleibt zu meinen Füßen liegen.
Okay, das ist jetzt ungewöhnlich! Unsicher hebe ich den Ball auf, und betrachte ihn, und das blut gefriert mir in den Adern. auf dem Ball stand wie eingeritzt: Wahrheit finden hilf mir
Und jetzt wird’s wirklich unheimlich! Aber das kann doch gar nicht-da macht sich doch jemand einen Jux mit mir!


„Hallo!“ rufe ich nach Oben „ist hier noch jemand?“. Unheimlich hallt meine Stimme wider. „Das ist nicht witzig!“