Sonntag, 27. September 2015

Jan-aus dem Reich der toten-Teil 2

Eigentlich bin ich ja kein ängstlicher Typ,aber das war auch für mich ein bisschen viel. Nachdem ich Zuhause angekommen war, erlebte ich eine unruhige Nacht. Wenn ich einmal Schlaf fand, sah ich im Traum wieder jenen Jungen, der mich still ansah, und dann mit dem Finger auf mich zeigte. Zusätzlich änderte sich jetzt noch die Szenerie in auf mich zu fahrende Rollstühle und einen Schatten, der über einer am Boden liegenden Gestalt stand.
Dann wachte ich Schweiß gebadet auf, konnte nur noch daran denken, und fand die restliche Nacht keinen Schlaf.

Auch jetzt auf der Arbeit, schweifen meine Gedanken immer wieder ab.Und wenn sich doch jemand einen Scherz mit mir erlaubt hat? Aber woher wusste der denn, das ich gerade zu diesem Zeitpunkt in dem Haus war, und woher hätte er von dem Buch und dem Zettel wissen können? Ich hatte doch mit niemandem darüber geredet. Oh Mist, das gehört doch gar nicht da rein. Säure und Domestos vertragen sich nicht! Sollte mich doch mal auf die Arbeit konzentrieren.

Auch die Pause bringt mich nicht auf andere Gedanken. Ein paar Schachaufgaben während des Essens kriege ich auch nicht gelöst, weil meine Gedanken noch beim gestrigen Rätsel sind.
So bin ich immer wieder in Gedanken versunken, unterbrochen nur, von einigen Schadstoffanlieferungen. Eh ich mich versehe  ist dann auch schon wieder Feierabend, den ich auch verpenne, und fünf Minuten zu spät das Tor schließe.

Als ich nach Hause komme, treffe ich Adele. Adele wohnt in unserer Nachbarschaft, ist 36, hat kurzes ,dunkles Haar, blaue Augen, ein Gesicht, das immer ein wenig verschmitzt wirkt, und ist, wie ich, ein wenig untersetzt. Sie ist ein echter Kumpeltyp, und darum eine gute Freundin.

Ich komme mit ihr ins Gespräch, und irgendwie auch auf mein gestriges Erlebnis und den Zettel.

„Klingt ja irre, diese Geschichte“, meint sie „Hast du den Zettel noch?“
„Natürlich“
„Weist du, ich kenne Jemanden, der ist Privatdetektiv. Wir könnten uns mit ihm treffen, und einfach unverbindlich mit ihm darüber reden.“

Der Vorschlag klingt gut. Vielleicht ist diese Sache für mich allein doch zu groß, und so stimme ich zu. Adele verspricht Heute Abend noch anzurufen, und mir Bescheid zu geben.

In der folgenden Nacht habe ich wieder die Träume von Jungen, Rollstühlen und Schatten, und dennoch geht mir am nächsten Tag die Arbeit viel einfacher und konzentrierter von der Hand, so erleichtert fühle ich mich, dieser Sache nicht mehr allein gegenüber zu stehen.

Etwa eine Stunde vor Feierabend ruft mich Adele an , und verkündet freudig, das Martin, so heißt der Privatdetektiv, Morgen Abend Zeit hätte, sich mit uns bei ihr zu treffen. Ich sollte Buch und Zettel mitbringen.

Ich bin nervös wie selten. Ich kann es kaum erwarten. Ich habe Zettel und Buch vorsorglich schon mal mit zur Arbeit genommen, damit ich nachher nicht erst noch mal nach Hause muss. So sitzen wir am nächsten Abend bei Adele. Ihre Wohnung ist modern, aber anheimelnd eingerichtet. Sie bevorzugt eher warme Farben. Adele und ich sitzen auf einem hellbraunem Sofa, Martin, auf dem dazu passenden Sessel am Tisch .Tee und Gebäck stehen auf besagtem darauf.

Martin studiert den Zettel, und nimmt sich dann das Buch vor, und die Eintragung vorn. Martin Kland ist groß, schlank, hat braunes Haar und grüne Augen. Sein Gesicht ist rundlich, und wirkt gutmütig. Er trägt Jeans und ein rot kariertes Hemd.
Er hört sich schließlich meinen bericht über die Ereignisse im Dijsterkamp -Haus an.

„Eine ziemlich interessante Geschichte“, meint er „Mal abgesehen, von den Geschehnissen im Haus ist es aber durchaus möglich, das du auf ein echtes Verbrechen gestoßen bist.“
„Wie könnte man denn raus bekommen, ob wirklich etwas dran ist?“, fragt Adele
„Nun, zunächst mal müsste man recherchieren und Informationen über diese Familie beschaffen. Laut der Widmung bekam Jan die Bücher zu Weihnachten 1952, es könnte übrigens Sinn machen, dir auch die anderen Fünf noch mal anzusehen.Seine letzte Mitteilung auf dem Zettel, so sie es denn ist, stammt von September 1953. Wir müssten uns also speziell auf diesen Zeitraum konzentrieren. Sagen wir Dezember `52 bis.na Oktober `53.Das nimmt natürlich Zeit in Anspruch“

„Ich habe ab Montag eine Woche Urlaub“, sage ich
„Perfekt. dann könnten du und Adele ihn der Uni- Bibliothek recherchieren.Sie haben dort Archive. Ich kenne jemanden beim Weser-Kurier, der schuldet mir noch einen Gefallen.“
„Dann willst du mithelfen?“, fragt Adele
„Offen gesagt, ist gerade Flaute im Geschäft. Ich langweile mich, und dieser Fall ist reizvoll, also dann!“

Die folgenden Tage verbringen wir mit Recherchen am Computer und in der Bibliothek .Wir stöbern in alten Zeitungsarchiven und Heimatkunde-Büchern, und  tragen allerhand Informationen zusammen. Als ich ein Buch, eine Biographie des Dynastie-Gründer Kees Dijsterkamp, die für unsere Zwecke nicht ganz so ergiebig ist, zurück stellen will, stoße ich mit Jemandem zusammen. Ich fühle etwas an meiner Jackentasche, aber bevor ich noch etwas sagen kann, ist die Person schon wieder weg.

Am nächsten Donnerstag sitzen wir wieder bei Adele und tragen unsere Informationen zusammen. Auch Martin hat viel Interessantes von seinem bekannten  erfahren.
Demnach gab es im Dijsterkamp- Haushalt außer Jan zur fraglichen Zeit folgende Personen:

Johann Wilhelm, Jans Vater mit seiner Frau Sylvia,
Jans Großvater Behrendt,
Jans  Bruder Marten, Sohn Johann Willems aus erster Ehe ,etwa Zehn Jahre älter als Jan
Er war zwischendurch auf einer Studienreise nach Afrika verschollen, und erst Anfang 1953 zurück gekehrt.
Johann Willems Neffen Joost, 31 Jahre alt, über den man noch wenig weiß
Luisa Dijsterkamp, ebenfalls aus erster ehe Johann Willems
Klara Persson, Jans Kindermädchen und Hauslehrerin, 27 Jahre alt, Tochter  schwedischer Eltern. Verschwand etwa im Juli 1953, kurz danach begann Jan, der durch Kinderlähmung bereits an den Rollstuhl gefesselt war zu kränkeln, bis er im September starb.
Ansonsten noch zwei Zofen, eine Köchin und der Hausdiener, der gleichzeitig dem Hauspersonal vorsteht.

„Eine Schwester von Klara lebt noch in Bremen“, berichtete Martin „Auch Nachkommen der Dijsterkamps, nämlich der Tochter und des Sohnes leben noch in Bremen, bzw. im Umland. Von ihnen können wir sicher wertvolle Informationen bekommen. In dem Haushalt verkehrten sonst noch der Hausarzt, ein Dr. Stöhver, dessen Sohn die Praxis übernommen hat, und der Anwalt  Dr. Koninck, der aus einer belgischen Familie stammt. Er lebt noch, und ist im Ruhestand.“

„Vor allem vom Sohn des Arztes können wir vielleicht wichtiges über Jans Krankheit erfahren. Möglicherweise hat er Krankenakten seines Vaters aufbewahrt“, meine ich.
„Richtig, gute Idee“, entgegnet Martin, auch mit Anwalt sollten wir sprechen. Ich werde erst mal sehen, das ich was über die Nachkommen der Dijsterkamps  raus kriege. Übrigens hat mein Bekannter auch ein Familien-Foto aus der Zeit gefunden“ Er holt es hervor
„Hier, die Eltern, Großvater, und die Geschwister, da ist Klara, und das ist Jan.“
Klara ist bezaubernd hübsch, die anderen wirken ein wenig aristokratisch, wie sie so da stehen. Als ich Jan sehe, gefriert mir wieder das Blut in den Adern: Er ist der Junge aus meinen Träumen!

So gehen wir auseinander, und ich bin ziemlich aufgeregt. Ich scheine da tatsächlich auf einen richtigen Kriminalfall gestoßen. Als ich Zuhause angekommen bin, greife ich in meine Jackentasche, um den Hausschlüssel hervor zu holen. Nanu, da ist doch was, das war doch vorher nicht in meiner Tasche! Ich hole es hervor. Es ist ein zusammen gefaltetes Blatt Papier. Ich falte es auseinander, und lese:

Es wäre besser, wenn sie sich nicht in Dinge einmischen, die sie nichts angehen, und gefährlich für sie sein können.Wenn ihnen ihr Leben und ihr Verstand lieb sind, dann halten sie sich fern vom Dijsterkamp -Haus, und vergessen sie Jan Dijsterkamp! …

Fortsetzung folgt