Freitag, 30. Oktober 2015

Das Krematorium

Hier meine diesjährige kleine Horror-Geschichte zu Halloween.Achtung:Nichts für Kinder!

Düster und drohend stand es da auf dem Hügel am Rande des Zentral-Friedhofes, das alte Krematorium. Nun war es seit bald Zehn Jahren außer Betrieb. Die neue Anlage lag zentraler, in der Mitte des Friedhofes, bei der Kapelle Sie war natürlich moderner, und heller gestaltet.
Das alte Krematorium war ein Backsteinbau, an dem der Zahn der Zeit nun stark nagte. Hier und da bröckelten Teile der Mauern ab. Durch beschädigte Fensterscheiben durchzog kühle Luft das alte Gebäude. An den großen, gusseisernen Öfen nagte der Rost, ebenso an den Schlittenanlagen, mit denen die Särge hinein gefahren worden waren.

Dennoch war die Anlage zuweilen immer noch Treffpunkt für Jugendliche oder für Paare, die hier ganz ungestört sein wollten, und es auch konnten, denn in diesen abgelegenen Teil des Friedhofes verirrte sich kaum noch jemand. Hier sollte es umgehen, hieß es, und düstere Geschichten von Menschen, die hier verschwanden, machten  die Runde.

Auch Corky kannte diese Geschichten. Er hatte hier bis zu seiner Rente gearbeitet, und die Särge eingefahren, sowie die Anlage gewartet. Just als sie endgültig den Betrieb beendete, ging auch er in Rente. Seitdem sah er hier nach dem Rechten, und versuchte das alte Gebäude einiger Maßen in Stand zu halten. Im Wechsel mit einigen anderen „Ehemaligen“.

Ursprünglich stammte er aus Irland. Der Liebe wegen war er hier her gezogen. Doch mittlere Weile war seine Frau verstorben. Und jetzt, mit Dreiundsiebzig zog es ihn auch nicht mehr zurück.

Er schritt den verwitterten, einiger Maßen  vom Unkraut gereinigten Weg zum Krematorium entlang, und kam schließlich an eine Pforte, die er aufschloss. Quietschend fuhr sie zurück. „Könnte auch mal wieder `ne Ladung Öl gebrauchen“, sinnierte er vor sich hin, als er hindurch schritt. Ihm war natürlich klar, das der rostige, mit genommene Zaun lange nicht mehr in der Lage war, ungebetene Besucher abzuhalten. Die Mittel zur Instandhaltung waren sehr begrenzt, und lediglich eine Hand voll Rentner konnten auch nicht jeden Meter Zaun in annehmbaren zustand halten. So kam es auch öfter mal vor, dass er hier Jugendliche Paare, oder auch Gruftis erwischte, und wenn er die Morgenrunde machte, fand er auch immer mal wieder  Überbleibsel schwarzer Messen vor.

Nun ,im Dunkel der Nacht, wirkten der Bau und seine Umgebung doppelt unheimlich, und selbst ihm ,der nicht zu den schreckhaften Menschen gehörte, war doch schon etwas beklommen zumute.
Er schloss die Eingangstür auf, und betrat das alte Gebäude. Links ging es zu den Büros der Verwaltung und den Sozialräumen der Beschäftigten, geradeaus lag das Kühllager für die ankommenden, zur Verbrennung vorgesehenen  Särge, die hier noch einmal zwischen gelagert wurden, für den Fall, das die Gerichtsmedizin sie noch einmal untersuchen musste. Es gab in Corkys Erinnerung nur eine Handvoll  solcher Fälle, in der Zeit, in der er hier beschäftigt war.

Natürlich standen jetzt dort keine Särge mehr, und die Kühlanlagen waren längst außer Betrieb, wie auch die beiden großen Verbrennungsöfen, welche man erreichte, wenn man die Doppeltür rechts durchschritt. Wenn man eintrat, lagen linkerseits die Öfen mit dem vor geschalteten Schlitten, auf denen die Särge eingefahren wurden. Rechts, weiter Hinten, lag die Schaltwarte, von der aus die Öfen gefahren wurden. Sie lag darum weiter Hinten, weil sich vorher ein Raum mit einer Sichtscheibe befand, von dem aus Angehörige, den Sarg der verstorbenen Person beim Einfahren in den Ofen beobachten, und so noch einmal endgültig Abschied nehmen konnten.

Corky schritt alles ab, ging die Treppe hinter, die unter die Öfen, und zur Technik führte Zu den Behältern die die Asche auffingen, den Magnetabscheidern, die Metallteile, wie chirurgische Schienen aus der Asche sortierten, bis hin zu der Mühle, die die Asche mahlte, bevor sie in die Urnen gefüllt wurde.

Die ganze Technik stammte aus den Achtziger Jahren, in denen die Anlage modernisiert worden war. Nun hatte man ein ganz neues Krematorium gebaut. Das Leben ist eben Veränderung.

 Corky sah sich um, kontrollierte die verwaiste Werkstatt, und stellte  fest, das alles in Ordnung war. Er stieg die Treppe wieder hinauf. Was war denn das? Von Oben ertönte einlauter Knall, als ob eine schwere Tür mit Gewalt geöffnet wurde. Er lief schneller die Treppe hinauf, und plötzlich wehte ihm ein eisiger Hauch ins Gesicht, so dass er sich am Geländer fest halten musste.

„Hallo, wer ist da?“, rief er nach oben. Keine Antwort. Er stieg weiter nach oben, dabei spürte er plötzlich Wärme. „Aber hier wird doch gar nicht mehr geheizt“, sagte er zu sich selbst, und dann stellte er fest, das die Wärme vom Ofen neben ihm kam. er war jetzt am oberen Treppenansatz angelangt, und sah sich um. Hinter dem Einfahrtstor von Ofen 1 konnte man Glut erkennen. Das war doch gar nicht möglich!
„Das kann doch gar nicht sein, der Laden ist seit über Zehn Jahren außer Betrieb“, dachte Corky, beklommen, doch als er zu den Förderbändern sah, stockte ihm der Atem: Da stand ein Sarg darauf! Das war doch völlig verrückt. Was war hier los?

Fassungslos starrte er auf das Szenario vor ihm, das ihm so unwirklich vorkam, und doch klar sichtbar vor ihm stattfand. Nun spürte er den kalten Windhauch wieder. Diesmal kam er von der Seite, von Rechts. Corky drehte sich dorthin um, und was er sah, lies ihn vor Grauen erstarren. Im nächsten Moment spürte er einen heftigen Schlag gegen den Kopf, und ihm wurde schwarz vor Augen.

Als er mit bleischwerem Kopf erwachte, lag er auf einer gepolsterten Unterlage. Er wollte die Glieder recken, doch er prallte gegen Wände. Wo bin ich? Er wollte sich erheben, kam aber gar nicht richtig hoch, denn er prallte sofort an eine Decke oder einen Deckel? Angst erfasste ihn, die sich zu maßlosem Grauen steigerte, als ihm klar wurde: Ich liege in einem Sarg!
„Hallo Hilfe!“, brüllte er angstvoll  „holt mich hier raus!“
Doch niemand half, und plötzlich spürte er einen Ruck, der Sarg bewegte sich! In höchster Todesangst polterte er gegen den Deckel.
„Hilfe, Hilfe, ich bin hier drin, ich bin nicht tot, Hilfe“
Doch es half nichts. Im nächsten Moment spürte er die alles verzerrende Hitze des Feuers, Sekunden unerträglichen  Schmerzes, und dann eine gnädige Ohnmacht, aus der er niemals wieder erwachen sollte.

Aus dem Schornstein des alten Krematoriums stieg schwarzer Rauch auf, und drinnen stand eine unheimliche Gestalt vor dem Ofen, in dem es glühte. Zischen und Fauchen drangen aus dem Ofen hervor.
Der Unheimliche nickte zufrieden. Es würde Heute Nacht noch mehr Arbeit für den Ofen geben. Eine alte Prophezeiung würde sich nun erfüllen, und alte Schuld gesühnt werden, und über die kleine Stadt würde das Grauen herein brechen.  Von hier aus würde bald das Grauen über die kleine Stadt kommen. Dieser alte Wärter war nur der Anfang…

*
Das Klingeln riss ihn aus dem Schlaf. Paul Weller erhob sich müde. Er war früh ins Bett gegangen, weil er ein wenig erkältet war, aber als Polizeichef einer Kleinstadt hatte man hat immer Rufbereitschaft.
Er griff nach dem Handy auf seinem Schreibtisch, drückte den Knopf zum annehmen des Gesprächs, und raunte ein müdes „Hallo“ hinein.

„Wie? Rauch über dem alten Krematorium? In Ordnung, ich sehe mir das mal an.“
Unwillig glitt er aus dem Bett, und zog sich an. Er war Vierzig Jahre alt, groß gebaut, hatte schwarze Haare, die an Schläfen leicht angegraut waren, und ein schmales Gesicht mit einer etwas großen Nase und blauen Augen. Sein Streifenwagen stand quasi vor der Tür, denn Polizei-Oberkommissar Weller bewohnte eine Dienstwohnung über dem kleinen Polizei-Revier. Er war nach dem Tod seiner Frau aus der Stadt hierher in diesen Ort im Weserbergland gekommen, weil er Ruhe und Einsamkeit suchte.

Fünf Minuten später hatte er den Friedhof erreicht. Er hatte Schlüssel für alle öffentlichen Gebäude, aber das Friedhofstor war offen. Der Friedhofsleiter, der eine Dienstwohnung neben dem Friedhof hatte, empfing ihn.
Sieht aus, als würde er selbst bald reif für seinen Laden sein, dachte Paul, und tatsächlich, Albert Jörk wirkte wirklich irgendwie wie der leibhaftige Tod. Ausgemergelt, ein Glatzkopf mit einigen wenigen Haaren, die der Zahn der Zeit wohl übersehen haben musste, tiefliegende Augen, und hohe Wangenknochen, über die sich die Haut wie Papier spannte.

„Guten Abend Herr Jörk, was kann ich für sie tun?“
„ N, Abend, Herr Kommissar“, antwortete Jörk mit einer krächzend klingenden Stimme  „Tut mir leid, sie aus dem Bett geholt zu haben, aber sehen sie“,
 und damit wies Jörk hinter sich, wo der Schornstein des alten Krematoriums empor ragte, wie eine riesige Zigarre. Weller konnte nun ebenfalls den schwarzen Rauch sehen, der aus ihm quoll.

„Die Anlage dürfte nicht laufen, sie schon seit über zehn Jahren außer Betrieb, das dürfte nicht sein, da stimmt was nicht.“
„Hmm…, verstehe. Was meinen sie, wollen wir uns das mal ansehen.“
„Von mir aus, ich habe meine Schlüssel bei mir.“
Gut, steigen sie ein.“

Albert Jörk stieg zu Paul Weller in den Streifenwagen, und sie fuhren den Weg zum Krematorium hinauf. An seinem Ende stand schon ein Fahrrad.
„Das gehört dem alten Corky, ganz sicher“
„Nun, dann mist er da drin. Hat er solch eigenartigen Sinn für Humor?“
„Beileibe nicht, er sieht hier nach dem Rechten. Er hat ja selber lange dort gearbeitet“
„Alles klart, dann könnte er auch in Gefahr sein, gehen wir hinauf, und sehen wir nach.“

Sie gingen den Weg hinauf, und durch die Pforte. Vor ihnen türmte sich das Gebäude auf, und der Schornstein, aus dem weiten Rauch quoll.
„Gehen wir weiter“, sagte Weller…
*
„Mensch, das war knapp“, sagte  das Mädchen. Kira Grünwald war Siebzehn, hatte dunkelbraunes Haar, und ebensolche Augen.Sie war nicht ganz schlank, aber weit entfernt davon dick zu sein.
„Wenn uns der Weller hier gesehen hätte“
Ihr Begleiter, Mark Behtge,  war eine Art Gegenentwurf zu ihr: Groß, schlank, kurzes, blondes Haar und blaue Augen. Er war Achtzehn.

„Was macht denn der Bulle hier?“, fragte er gerade.
„Sucht wahrscheinlich wegen dem rauchenden Schornstein. Ist auch ziemlich merkwürdig. eigentlich ist der Laden doch seit Jahren nicht mehr in Betrieb. Ich frag´ mich sowieso, ob es nicht vielleicht besser ist, die Sache abzublasen. Ich meine, wie sollen wir da denn noch rein kommen. der Alte ist doch auch noch drin. Jedenfalls haben wir ihn noch nicht wieder raus kommen sehen“

„Am Besten, wir gehen um den Kasten herum, und in den Keller, da wollten wir uns ja sowieso treffen!“
„Robby!“, rief das Mädchen, und drehte sich zu Robert Brem um. „hast du mich erschreckt.
Robert war 18, und hatte wuscheliges, schwarzes Haar.
Kommt, die anderen warten schon  im Keller, ich hab´ grade mit Freddy telefoniert.Wir kriegen das schon hin, das sie uns nicht erwischen.

Sie gingen um das Gebäude herum, und kamen schließlich an einer alten, schweren Eisentür an, die angelehnt war.
„siehst du „sagte Robert, „sie haben für uns auf gelassen.“
Als sie die Tür öffneten, gab sie den Blick auf eine Treppe frei, die sie hinab stiegen. Unten angekommen, standen sie in einem Korridor, der Links und Rechts jeweils in einen dunkeln Gang führte. Geradeaus  war eine Tür.

„Die Tür“, sagte Robert. Kira öffnete sie Tür, und sie traten in den Raum dahinter ein. Gleichzeitig fiel oben die Tür krachend zu.
Als sie drinnen waren, blieben sie kreidebleich stehen, so entsetzlich war das, was sie sahen:

Da stand ein aschfahles, verängstigtes Mädchen in ihrem Alter.Daneben lag, bewusstlos, ein Junge, der aus dem Kopf blutete. Über ihm stand eine grauenhafte, fast Zwei Meter große Gestalt, die einen schweren, gusseisernen Schürhaken in der rechten Hand hielt.
Sie trug vermoderte, altertümliche, schwarze Kleidung, die teilweise in fetzen am ausgemergelten Körper hing.

Der Kopf des Unheimlichen war bis auf ein paar lange, weiße Haare kahl. Seine Haut, wo noch welche war, war verkohlt und voller Brandwunden.
Rote Augen, wie glühende Kohlen, lagen tief in den Höhlen des Schädels, an dem teilweise ganze Fleischfetzen fehlten, und sahen sie durchdringend ein.
„Willkommen“, sagte er mit einer knarrenden Stimme, in der nichts Menschliches lag.
Hinter ihnen fiel die Tür zu….

*
Pfarrer Josef Woelk saß kreidebleich und wie versteinert da. Er hatte die Kirchenchroniken neu geordnet, und dabei fiel ihm der Rest eines alten Tagebuches in die Hand. Es stammte von einem seiner Vorgänger, dem Pfarrer Wilhelm von Anderheim, und es war ein unheimliches Dokument. Es enthielt die Schilderung eines entsetzlichen Verbrechens, nämlich des grausamen Mordes an einem Grundbesitzer.
31.Oktober im Jahre des Herren 1615:

Es ist geschehen. Ich komme gerade von dem Ort des Verbrechens. Unser unausweichlicher Entschluss ist ausgeführt. Es musste sein, der war mit dem Teufel im Bunde .die Frau unseres Bürgermeisters hatte er verhext. Wir hoffen, mit seinem Tod ist sie wieder frei.
Wir haben Jeremias Brünn in seinem Haus eingeschlossen, sodann zündeten wir es an, das er darin verbrannte. Just, als das ganze Gebäude in Flammen stand, durchbrach er ein Fenster. Brennend, eine lebende Fackel, sprang er hinaus. Seine gellenden Schreie habe ich noch im Ohr, und noch mehr seine  schaurige Prophezeiung.

„Für das mir Heute Abend angetan wird , werden eure Nachkommen büßen, und wenn 500 Jahre vergangen sind, soll dieser ganze Ort in einem Feuersturm versinken, das schwöre ich, und wenn ich die Kräfte der Hölle dazu zu Hilfe nehmen muss!“ Danach brach er mit einem letzten schrei brennend zusammen und starb.
Gott schütze uns, und vergebe uns, was wir Heute Nacht getan.

Woelk  begann in anderen Chroniken nachzuforschen, und fand heraus, das Jeremias Brünn ein Außenseiter war. Ein Eigenbrötler, der aber Charisma besaß, und ein Verhältnis mit der Frau des Bürgermeisters hatte. Die Beschuldigung der Ketzerei und Teufelsanbetung war zu jener Zeit ein gängiges Mittel, um sich eines Rivalen zu entledigen, darüber hinaus lieferte sie ein hervorragendes Alibi, damit die Frau einer Anklage wegen Ehebruchs entging. Wenn sie verhext war, konnte sie nichts dafür.

Der Pfarrer schlug die Hände zusammen. Welch eine Niedertracht war hier begangen worden. Er sah sich Karten an, und stellte fest, das Brünns Haus genau dort lag, wo nun das alte Krematorium stand. Er ging ans Fenster seines Pfarrhauses, das neben der Kirche, direkt an den Friedhof angrenzte, und sah hinaus. Sah auf dem Hügel die Silhouette des alten Krematoriums, und den Schornstein, der rauchte. Sah ein Glühen in den Fenstern.

Er wandte den Blick auf seinen Kalender, und erstarrte. Konnte das…Nur ein Paar Sekunden später erhielt er die Bestätigung. Auf der Seite des aufgeschlagenen Tagebuches brannten sich plötzlich Zahlen und Buchstaben ein:A.D.31.10.1615, Dann ging das Buch in Flammen auf.
Josef sah auf, ging zum Fenster, und sah noch einmal hinaus zum Krematorium, und zu dem verkohlten Buch. Und er wusste, was er zu tun hatte.
Er legte sein Ornat und seine Schärpe an, und hing sich sein großes Kruzifix um

Er ging in die Kirche, füllte eine Flasche mit Weihwasser aus dem Taufbecken, dann ging er zum Altar und kniete nieder.
„Herr, gibt mir die Kraft zu tun, was ich tun muss, denn sonst erwartet diese Stadt ein Inferno!“
Er wandte sich entschlossen um, und ging…
*
„Willkommen in meinem Reich, zur Nacht des Feuers. Jenes Feuer, das einst mich verzerrte, soll nun diese Stadt verzerren, die ich vor so langer Zeit verfluchte, und ihr sollt es nähren.“
Von lähmendem Entsetzen gepackt, standen die Jugendlichen da, und blickten auf die Gestalt des unheimlichen, der ihnen diese schreckliche Drohung entgegen schmetterte, und sie mit glühenden Augen praktisch durchbohrte.

„Doch halt, ich merke gerade, ich habe Oben noch zwei Gäste, die das Höllenfeuer nähren wollen. So werdet ihr einstweilen warten, während ich mich ihrer annehme.“
Mit einem hässlichen Lachen entschwand er. Robert lief zu dem bewusstlosen, und kniete sich bei nieder, um dessen Vital-Funktionen zu prüfen. Mark rüttelte an beiden Türen, während Kira das verängstigte Mädchen zu trösten versuchte, obwohl sie selber Todesangst verspürte.
„Nichts“, sagte Mark tonlos, „Alles dicht, wir sind hier gefangen.“ Robert erhob sich mit ernstem blick von dem nieder geschlagenen. “Sein Schädel ist eingeschlagen“, sagte er, und das  Grauen war ihm anzuhören, „Er ist tot.“…
*
Weller und Jörk betraten das Gebäude. Zur Linken lag die Verwaltung. Gerade aus der Kühlraum für die, zur Verbrennung vorgesehenen, Särge mit Leichen. Aber ihr Ziel war die Halle mit den Öfen. Als sie eintraten, stockte ihnen der Atem.
Fackeln, die an den Fenstern angebracht waren, tauchten die Halle in gespenstisches Licht. Beide Öfen, schien es, waren angeheizt. Hinter ihnen fiel die Tür ins Schloss. Sie liefen zurück, um sie wieder zu öffnen, doch vergeblich.
„Guten Abend!“
Sie wirbelten wieder herum, und bekamen im nächsten Moment einen schweren schlag gegen den Kopf, so dass es schwarz wurde.
*
Langsam, aber sicheren Schrittes, ging Pfarrer Woelk den Weg zum Krematorium hoch. Er wusste, was ihn erwartete. Heute Nacht, würde sich das Schicksal erfüllen. Er dachte an die Worte Christi, am Abend vor seiner Verhaftung: Herr, wenn es möglich ist, lass diesen Kelch an mir vorüber gehen. Doch er wusste, dieser Kelch würde nicht an ihm vorüber gehen. Das Schicksal seiner Gemeinde, der ganzen Stadt stand auf dem Spiel. Vor ihm tauchte das Krematorium auf. Vor der Pforte blieb er kurz stehen. Dann schritt er entschlossen voran. Die Zeit der Entscheidung war gekommen…
*
Als Weller wieder zu sich kam, fühlte er, dass er an Händen und Füssen gefesselt war. Jedenfalls fühlte es sich so an. Er konnte die Glieder nicht bewegen. Den Kopf, der schmerzte, konnte er jedoch drehen, Er fühlte Blut an seiner Schläfe entlang rinnen, und sah mit Entsetzen den alten Jörk neben sich liegen. Das Blut an seinem Kopf und sein starrer Blick zeigten, dass er tot sein musste.

Paul wandte den Blick wieder nach vorn, auf das gespenstische Szenario, welches sich vor ihm abspielte. Vom Licht der Fackeln beleuchtet, standen dort Särge, vier Särge. Zwei von ihnen standen schon auf den Förderbändern, die sie in die Öfen fahren sollten.
In der Mitte, neben dem Band des Ofens, der am nächsten war, stand der riesenhafte Fremde, der allen möglichen Stellen verbrannt zu sein schien. Eine dämonische Macht ging von ihm aus. Sie war es, die Weller fesselte.

„Ah, aufgewacht. Nun denn, dann können wir beginnen. Bevor du selber dran bist, werde Zeuge, wie  meine jungen Opfer das Höllenfeuer nähren und entfachen, welches ich auf diese Stadt hernieder regnen lassen werde. Was mir dereinst angetan, sollen alle in diesem Ort erleiden. Mit Satans Hilfe vollende ich meine Rache!“
Damit wies er mit einer verbrannten, klauenartigen Hand auf die Anlage, und die Särge setzten sich in Bewegung. Die Öfen öffneten sich und gaben rotglühende Löcher frei, gleich einem Höllenschlund.

Zu seinem maßlosen Entsetzen, hörte Paul wie von innen gegen die Särge gehämmert wurden. Stimmen riefen von innen um Hilfe. Stimmen ,die ihm bekannt vorkamen. Stimmen Jugendlicher aus dem Ort, die er kannte. Er stieß einen Schrei des Entsetzens aus. Der Unheimliche lachte schaurig, und die Särge fuhren in die Öfen ein…
*
Pfarrer Woelk betrat das Krematorium. Er wandte sich  Zielsicher nach  Rechts, und versuchte die Tür zu öffnen. Es ging nicht. Kurz verharrte er, dann nahm er sein silbernes Kruzifix, küsste es und drückte es gegen die Tür. Ein Zischen ertönte und sie ging auf. Der schob sie ganz auf, und trat hindurch. Da erscholl ein Schreckensschrei…
*
Das schaurige Lachen des Unheimlichen, und Pauls Entsetzensschrei vermischten sich, doch plötzlich wurde es von einem scharfen Ruf durchbrochen.
„Jeremias Brünn!“

Der Unheimliche und Paul drehten sich in Lichtung der Stimme um. Langsam, aber festen Schrittes kam der Pfarrer näher. Mit der einen. Er hielt das Kruzifix mit der linken Hand hoch. In der Rechten hielt er die Weihwasser-Viole.

Schon war er an die dämonische Gestalt heran gekommen, da hob er die Hand mit der Viole, und Weihwasser spritze dem Unheimlichen ins Gesicht. Ein lautes Zischen mischte sich mit dem erschreckten Aufschrei des Untoten, und ruckartig kamen die Särge Zentimeter in der Öffnung zu stehen, die an den Fußenden bereits angekohlt waren.

„Du willst ein Opfer?“, rief der Pfarrer „Du sollst eins haben, denn es war letztendlich die Inquisition, die dich verurteilte. Hier ist dein Opfer!“

Mit diesen Worten stürzte er sich auf das Monster und umfasste es, so, das sich das Kruzifix zischend gegen dessen Leib drückte. Dann drängte er es zum, ihnen nächststehenden, Ofen.
Mit einem Fußtritt schob er den Sarg beiseite, und drängte mit seinem Gegner der rotglühenden Öffnung zu. Er wandte sich kurz Paul zu, und rief: “Retten sie die Kinder!“, dann stürzte er sich und den sich verzweifelt wehrenden Unheimlichen mit einem gewaltigen Satz in den Höllenschlund.

Die Glut schlug über ihnen zusammen, und peitschte auf. Bläuliche Flammen schossen aus dem brodelnden Ofen heraus, der mit einem gigantischen Knall barst, dann verwandelte sich die Halle in ein loderndes Inferno…

*
Schon als der Pfarrer den Unheimlichen mit Weihwasser besprenkelte, spürte Paul Weller, dass er sich wieder bewegen konnte.
Sofort stand er auf.Trotz Schmerzendem Kopf und Schwindelgefühl erfasste er die Lage sofort.

„Wenn du ein Opfer willst…“, hörte er Woelk rufen, da war er schon bei den ersten Särgen, öffnete sie, und lies die Gefangenen heraus.
„Raus hier, schnell!“, rief er den verängstigten und verstörten Jugendlichen zu, dann lief er  zur Ofenanlage, um die Särge auf den Förderbändern zu öffnen. Zunächst, den, welchen der Geistliche vorhin zur Seite getreten hatte.

 „Retten sie die Kinder !“, hörte er den Priester noch rufen, als er die Beiden Jugendlichen, Mark und Kira, bei den Händen fasste, und mit sich zog. Kira hatte Tränen in den Augen.

Kaum waren sie vom Ofen weg, da knallte es schon. Der Ofen explodierte. Bläuliche Flammen züngelten um sie herum. Die Druckwelle der Explosion warf sie zu Boden. Sofort erhoben sie sich wieder, und kämpften sich zur Tür, wo die anderen beiden immer noch Standen. Mittlerer Weile war die ganze Halle ein Flammenmeer.

„Ich hab doch gesagt, ihr sollt hier raus. Worauf wartet ihr?“, rief Paul, und schob die Beiden weiter. In diesem Moment gab der Boden unter einem Ofen nach. Die ganze Anlage fiel mit Getöse in sich zusammen. Unten explodierte ein Heizölbehälter, und hier zerbarsten zwei Eimer mit Verdünnung.

Nun begriffen lösten sich auch die Beiden angesprochenen aus ihrer Erstarrung,  und gemeinsam flohen sie zur Tür, die bereits auch von Flammen umgeben  war. Gerade kamen sie noch durch. Paul schob seine Schützlinge voran, und hechtet als letztes nach draußen .Sekunden später fiel der Türrahmen hinter ihm zusammen, und gleich danach die Wand. Auch der Vorraum stand bereits in Flammen. Die Hitze raubte ihnen den Atem. Paul schob die Jugendlichen voran, und schließlich hatten sie sich ins Freie gekämpft.

Sie hasteten den Weg runter bis zum Auto. Dort verharrten sie hustend und Keuchend. als sie wieder Luft bekamen, wandten sie sich um, und sahen dorthin zurück, wo das gesamte Gebäude in Flammen stand. Es wirkte wie eine gigantische Fackel, welche den ganzen Ort in gespenstisches Licht tauchte.

Plötzlich schoss eine bläuliche Flammensäule senkrecht empor, und zerteilte sich in funken, wie eine Silvesterrakete, dann stürzte das Gebäude endgültig ein. In der Ferne hörte man Sirenen der Feuerwehr, doch zu löschen gab es jetzt nichts mehr.

Notärzte versorgten Paul und die Jugendlichen, während auch die letzten Reste des Gebäudes verbrannten. Schließlich stürzte auch der Schornstein ein. Das alte Krematorium gab es nicht mehr.

Erst am nächsten Tag konnte man die Überreste des toten Jungen, sowie Albert Jörk und des aus den rauchenden Trümmern bergen. Vom toten Pfarrer zeugte nur noch ein Klumpen Silber, der einmal sein Kruzifix war. Er wurde ins Pfarrhaus gebracht, wo man auch die alten unterlagen fand. Alles was man von Corky fand, war seine Identifikationsmarke aus der Militärzeit.

Der Ort, an dem das Krematorium stand, ist immer noch unheimlich, wenn nicht noch unheimlicher. Es heißt, ein Teil eines Ofens ist noch übrig, und ab und zu glüht es in ihm auf…

ENDE

Noch nicht genug gegruselt?Kein Problem:

                      Halloween 2014:Das Ding aus dem Watt