Sonntag, 18. Oktober 2015

Jan-aus dem Reich der Toten-Teil 3

 „Phantastisch“, meint Martin, als er die unheimliche Botschaft betrachtet .Wir haben uns am nächsten Vormittag bei Adele getroffen. „Ach, das ist beinahe genial“
„Freut mich, dass es dir gefällt“, meine ich lakonisch.
„Oh, du verstehst mich falsch. Diese Botschaft bestätigt eindeutig, dass wir  da tatsächlich etwas auf der Spur sind. Warum sonst sollte man solch eine Warnung schicken? Wenn ich bisher nicht hundertprozentig von einem Verbrechen überzeugt war, dann bin ich es jetzt.“
„Was mir Kopfzerbrechen bereitet“, sage ich „ist, woher die wussten, das ich in der Bibliothek  war, oder überhaupt, das ich in der Sache drin stecke. Der Zettel muss mir in der Bibliothek zu gesteckt worden sein. Ich weiß noch, das mich jemand anrempelte.“

„Das lässt darauf schließen, dass du vielleicht tatsächlich in diesem Haus, das ich mir übrigens auch selber noch einmal ansehen möchte, nicht allein gewesen bist. Möglicher Weise bist du beim Betreten des Hauses beobachtet worden. Es kann aber auch sein, das der Unbekannte zufällig in der Bibliothek feststellte, dass du Informationen über die Familie Dijsterkamp gesucht hast, und sofort handelte.
Wenn ihr wollt, können wir gleich zu der Schwester von Klara Persson fahren. Sie heißt Gesa Klemm, und lebt mit ihrem Mann in Horn. Außerdem habe ich einen Termin mit Dr. Uwe Stöhver gemacht, dem Sohn des Haisarztes, der die Praxis seines Vaters in Schwachhausen weiter führt.
Er hat tatsächlich noch die alten Krankenakten im Keller“

Wir fahren also zunächst zu Gesa, der Schwester Klara Perssons. sie ist eine ältere Dame von Achtzig Jahren, und wohnt  mit ihrem Mann in einem Einfamilienhaus in Horn. Sie schlank, groß gewachsen, und hat ein, trotz Falten, fein geschnittenes Gesicht, und fast weißes Haar.
„Viel kann ich nicht sagen, ich war damals Achtzehn, wissen sie? Ja, Klara war ein lebenslustiger Mensch. Sie hatte einen Draht zu Kindern, war innerlich manchmal selber noch ein Kind, und dabei war sie meine ältere Schwester.
Ja, Jan hatte sie besonders gern. Er ein ehr aufgeweckter Junge, der sein Umfeld genau beobachtete. Sie war manchmal überrascht, was ihm so alles auffiel. Dinge, die meisten nicht wahr nahmen, weil sie nicht genau hinsahen.“

„Haben sie ihn auch persönlich gekannt?“
„Nein, ich weiß nur, was mir Klara erzählte, wenn wir uns trafen. Aber ich habe noch ihre Tagebücher. Wenn sie glauben, das sie ihnen helfen können, kann ich sie ihnen gern leihen.“
„Gern“, meint Martin „Mit ihrem verschwinden, wie war das damals?“
„Nun ja, eines Tages, das muss im Juli´53 gewesen ein, da kehrte sie nicht nach Hause zurück. wir fragten überall nach. Schließlich gab es sogar eine Suchaktion der Polizei, aber sie wurde nie gefunden, und kehrte auch nie zurück.“

„Jan behauptete auf einem Zettel, dass sie ermordet wurde“
„Ja, ich habe davon gehört, auch die Polizei mutmaßte ein verbrechen, konnte aber nie Beweise dafür bringen. Von anderen kam die Vermutung, sie sei ausgewandert.“
„Glauben sie das?“
„Nein, eigentlich nicht. Sie wäre nie gegangen, ohne sich vorher bei uns zu melden.“
„Ist ihnen bekannt, ob es jemanden gab, der ihr den Tod wünschte?“
„Oh nein, sie war überall beliebt, andererseits war sie den Männern nicht abgeneigt, und sie wissen ja, was Eifersucht bewirken kann. Aber wir haben die Hoffnung nie aufgegeben, dass wir sie noch einmal wieder sehen.

Gesa übergibt uns die Tagebücher. Wir verabschieden uns, und fahren zum Arzt.
„Ich habe die Akten bereits für sie heraus gesucht. Normaler Weise gibt es eine ärztliche Schweigepflicht, aber in diesem Fall ist sie erloschen.“ Dr. Stöhver ist Mitte vierzig, mittelgroß und korpulent. Er hat braunes, schütteres Haar, und ein gebräuntes, rundes Gesicht mit blauen Augen.
„Ja, Kinderlähmung, Poliomyelitis, eine Infektionskrankheit, bei der Viren das Bewegungszentrum im Rückenmark befallen. Das War´s, warum Jan im Rollstuhl saß. Er hatte die Krankheit im alter von Zehn Jahren bekommen, hatte ansonsten aber alles gut überstanden. Sie kann auch zum Tode führen. Tja, und dann, ab August´53 begann sich sein zustand zunehmend zu verschlechtern. Er starb dann  an einer Sepsis, einer Blutvergiftung, so steht es jedenfalls im Totenschein.“

„Und an der Diagnose gab es keine Zweifel?“
„Es sieht so aus, sonst hätte er den Totenschein nicht unterzeichnet. Aber etwas anderes interessantes habe ich bei der durchsicht der Krankenakten entdeckt. Offenbar wurde die Familie seitdem von einer Art fluch befallen. Immer wieder starben Familienmitglieder bekannte oder Geschäftspartner unter zumindest merkwürdigen Umständen. “

Mit gemischten Gefühlen verlassen wir die Praxis.
Das alte Haus ist hier in der Nähe“, meint Martin „Was haltet ihr davon, wenn wir ihm einen Besuch abstatten?“
Ich habe zwar ein mulmiges Gefühl, aber ich stimme trotzdem zu. So fahren wir also zu jenem Haus, das ich eigentlich nicht mehr betreten wollte.
Jetzt im licht des hellen Tages wirkt es zumindest von Außen nicht ganz so düster, wenn auch nicht einladend.

Wir betreten den Vorgarten, gehen zur Tür, und betreten das Haus. Und kann man das Mobiliar besser sehen. Die alten, jetzt mottenlöchrigen, Teppiche , die Bilder an der Wand.
Wir sehen uns um, und kommen schließlich auch zur Treppe, die nach Oben führt. wir sehen hinauf.

Auf Martins Vorschlag steigen wir die Stufen hinauf, und gehen in Jans Zimmer, wo sich auch der Privatdetektiv gründlich umsieht. Sein Blick bleibt kurz auf dem Rollstuhl hängen, dann nickt er uns zu, und bedeutet uns, ihm zu folgen. Wir verlassen das Zimmer, und werfen noch einen blick in die übrigen Räume, die sich als normale Wohnräume heraus stellen.  So verlassen wir die Etage, und steigen die Treppe wieder hinunter. Als wir auf halber Höhe sind, hören wir, ein zumindest mir vertrautes, Quietschen. Wir drehen uns um, und sehen Oben am Treppenansatz -den Rollstuhl!

„Geisterstunde“, bemerke ich ironisch
„Okay“, meint Martin, das wollen wir doch mal sehen. Er läuft, von uns gefolgt, noch einmal die Treppe hoch. doch wir finden Niemanden. Wir laufen wieder hinunter, und Martin läuft nach draußen, umrundet das Haus, doch es ist niemand draußen. Verwirrt starren wir nach oben, wo der Rollstuhl ganz still steht.

„Das gibt’s doch nicht“, stößt Adele aus.
„Es muss eine Erklärung dafür geben“, meint Martin „Vielleicht liegt sie im Keller, da waren wir noch nicht.“
Wir stimmen zu, und suchen nach der Kellertür, die wir sehr schnell befinden. Sie befindet sich unter der Treppe, die nach Oben führt, befindet.Wir probieren die Tür aus. Sie ist nicht verschlossen.

Martin fischt eine Taschenlampe aus seiner Jacke, und wir steigen nach unten. Im Licht der Lampe sehen wir viel altes Gerümpel. An den Wänden Regale. Dieser Keller besteht offenbar aus mehreren Gewölben. Eines ist ein Weinkeller, Tatsächlich legen in einigen Regalen sogar noch ein Paar Flaschen.
Wir gehen weiter in ein halb verfallenes Gewölbe, wo Schutt vor der Wand liegt, und es furchtbar stinkt. Plötzlich stolpere ich über ein großes Bündel. Martin leuchtet hin, damit wir sehen können, was dort im Weg liegt, und bei dem ,was ich sehen, wird mir Speiübel, ich weiß jetzt ,was den Gestank verursacht hat, und ich muss mich zusammen reißen, nicht vor Grauen aufzuschreien. Dort liegt einem halbverweste, Blut verschmierte Leiche…